Artikel "Freudvolle Meetings durch Art of Hosting" Teil 2

Nachfolgend findet ihr die preprint-Fassung des Beitrages in der KonfliktDynamik, Heft 2-2022, Seite 144 -146 https://doi.org/10.5771/2193-0147-2022-2-144

Autor:innen Corinna Wermke und Peter Hofmann

Art of Hosting – Ein Weg zu freudvollen und effektiven Meetings, Teil 2
Der Einsatz der Methode im organisationalen Kontext

Einleitung

Der vorliegende Text ist der zweite und letzte Teil unseres Artikels zur Anwendung von Art of Hosting in beruflichen Kontexten. Wir wollen Führungskräfte, Moderator:innen und alle Menschen, die regelmäßig in Meetings sitzen und “geleitet werden”, gleichermaßen ansprechen. Indem wir die Haltung und die Methoden des Art of Hosting anwenden und üben, so unsere Erfahrung, gelingt es uns, freudvollere und effektivere Meetings zu kreieren und im besten Fall Ko-Kreation zu ermöglichen.

Hier erläutern wir die dritte und vierte Dimension des Art of Hosting, auch Four-Fold Practice genannt. Dimension eins „Host yourself“ und Dimension zwei „Be Hosted“ beschreiben wir in KonfliktDynamik, siehe KonfliktDynamik, Heft 1/2022

Dritte Dimension: Host others - Raum halten für andere

Der Begriff Host in diesem Kontext bedeutet vorerst Gastgeber:in zu sein für gute (effektive, verbindende, sinnvolle) Gespräche. Die Rolle von Hosts kann mit dem „Halten eines Raums für andere“ ausgedrückt werden. Im Grundverständnis des Hostings steht im Mittelpunkt, die Gruppe und ihre einzelnen Mitglieder zu unterstützen, möglichst in eine Selbststeuerung zu kommen - auf jeden Fall Mitverantwortung für den gemeinsamen Prozess zu stimulieren und damit auch Kräfte der Ko-Kreation frei werden zu lassen.

Partizipation (durchaus im Sinne von demokratischer Teilhabe) ist ein hochgehaltener Wert im Art of Hosting. In manchen Kontexten benötigt ein Host ein stärker leitendes, kontrollierendes Handeln - wie im klassischen Verständnis der Moderation - und manchmal kann (soll) der Prozess und die zwischenmenschliche Ebene im Vordergrund stehen. Man kann dies als ein Kontinuum sehen, auf dem sich ein Host je nach Situation und Kontext verorten kann.

Wesentlich für die Rolle des Hosts ist das Bewusstsein über den Einfluss der zwischenmenschlichen Ebene (Konflikte, Spannungen, Hierarchien) aber auch von – physischen wie mentalen – Befindlichkeiten von Einzelnen auf die Qualität und die Effektivität von Meetings

Was können Sie nun konkret tun, um mehr Hosting-Qualitäten in Meetings zu bringen?

Check-In
Auch wenn diese Standard-Methode sehr bekannt ist, lädt sie zu Beginn eines Meetings alle ein auszudrücken, wie es ihnen gerade geht, was aktuell präsent ist (ganz körperlich, stimmungsmäßig und auch mental). Je nach Zeitkontingent bzw. Gruppengröße kann der Check-In kürzer oder länger ausfallen und mit veränderten Fragen variiert werden. Wichtig ist die Absicht des Check-In, die darin liegt, den ganzen Menschen sichtbar werden zu lassen, nicht nur die Arbeitskraft oder das Mitglied in einer bestimmten Arbeitsgruppe.

Präsenzübungen
Am Anfang eines Meetings mit drei Minuten Stille zu beginnen, kann zu einem sehr wirksamen Ritual werden, das allen Beteiligten hilft, präsenter zu sein und im Hier und Jetzt anzukommen. Geeignet sind auch Auszüge aus Meditationen oder Achtsamkeitsübungen wie z.B. dem sog. Body-Scan (Kabat-Zinn 2019). Hierbei wird, meist durch eine Person angeleitet, in den eigenen Körper hinein gefühlt. Es gilt wahrzunehmen, was dort gerade präsent ist, z.B. „Nimm wahr, wie du auf deinem Stuhl sitzt.“, „Kannst du deine Füße auf dem Boden spüren – wie fühlt es sich an?“, Sind deine Hände warm oder kalt?“. Eine spielerischere Kurzversion ist die „gefühlte Minute“. Personen sind eingeladen aufzustehen, die Augen zu schließen, und sich nach einer gefühlten Minute hinzusitzen (ohne innerlich zu zählen).

Spannungen und Irritationen ansprechen
Hosting-Qualitäten anwenden, heißt auch immer wieder den Mut zu haben, seine eigene Wahrnehmung betreffend Irritationen und Spannungen im Raum transparent zu machen. Immer wieder erfahren wir jedoch auch den sprichwörtlichen „Elefanten“ im Raum, eine Störung auf der zwischenmenschlichen Ebene, die nicht angesprochen wird und das Meeting jedoch beeinflusst. Aber natürlich ist nicht alles ist immer ansprechbar in der verfügbaren Zeit und vor allem in der Anerkennung (organisations-)kultureller Gegebenheiten. Hier hilft ausprobieren und Fingerspitzengefühlt.

Pendeln zwischen Eigenwahrnehmung und Wahrnehmung der Gruppe

Oft werden eigene Befindlichkeiten wie z.B. Ärger über das nicht Ausredenlassen einzelner Personen, Unruhe bei langen Redebeiträge o.ä. als Wahrheiten über den Zustand der Gruppe empfunden und projiziert. Ein wichtiges Übungsfeld ist daher das sogenannte Pendeln. Sie pendeln mit Ihrer Wahrnehmung zwischen der Gruppe und sich selbst: Im Laufe eines Meetings nehmen Sie z.B. einen schärferen Tonfall bei den Beiträgen wahr (Wahrnehmung Gruppe). Gleichzeitig fühlen Sie in Ihrem Körper eine Angespanntheit (Eigenwahrnehmung). Wie reagieren Sie als Host? Sie würden möglicherweise etwas ähnliches sagen wie: „Ich merke, ich bin gerade ziemlich angespannt und höre hier zunehmende Schärfe im Tonfall. Ist das auch für euch so? (kurze Pause) Sollten wir das zum Thema machen?“

„Never host alone“
Eine Empfehlung im Art of Hostings ist, dass mindestens stets zwei Menschen hosten. Warum? Es ist u.a. sehr fordernd, über einen längeren Zeitraum wirklich die eigene Präsenz zu halten. Qualitätssichernd ist es dann, kurz einmal „in die zweite Reihe“ zu rücken und für sich selbst zu sorgen. Danach fällt es leichter, wieder ganz in die Hosting-Rolle zurückzukehren und den Raum für andere halten zu können.

»Flow«-Tools, die Gespräche wieder in Fluss bringen

Fokus auf Intention: Falls eine Diskussion ausgeufert ist, kann es helfen, die vereinbarte Intention des Meetings zu benennen und kurz miteinander zu reflektieren, was jetzt dieser Absicht dient.

Setting verändern: Zu ein paar Minuten Einzelreflexion einladen; alle Teilnehmenden bitten aufzustehen und von »außen« auf das Meeting zu schauen und zu fragen »Was passiert gerade?

Transparenz herstellen: Eigene Wahrnehmung (körperlich, emotional, geistig) über den aktuellen Prozess teilen und/oder die Gruppe einladen, dasselbe zu tun.

Paradoxe Intervention: In einer Situation von Spannung und Irritation – gut eingeleitet – fragen: Was könnten wir nun gemeinsam tun, um dieses Meeting noch schwieriger zu machen?

Gute Fragen: Öffnende Fragen verwenden, die die Perspektive verändern und wieder Weite in die verengte Diskussion bringen (z.B. Was bringt uns näher zu unserem Ziel oder unserer Intention? Woran merken wir, dass unsere Diskussion in die gewünschte Richtung geht?)

Fokus auf Intention: Falls eine Diskussion ausgeufert ist, kann es helfen, die vereinbarte Intention des Meetings zu benennen und kurz miteinander zu reflektieren, was jetzt dieser Absicht dient.

Setting verändern: Kurz in Kleingruppen gehen; oder zu ein paar Minuten Einzelreflexion einladen; alle einladen aufzustehen und von “außen” auf das Meeting zu schauen und zu fragen “Was passiert gerade?”.

Transparenz herstellen: Eigene Wahrnehmung (körperlich, emotional, geistig) über den aktuellen Prozess teilen und/oder die Gruppe einladen, dasselbe zu tun.

Paradoxe Intervention: In einer Situation von Spannung und Irritation – gut eingeleitet - fragen: Was könnten wir nun gemeinsam tun, um dieses Meeting noch schwieriger zu machen?

Gute Fragen: Öffnende Fragen verwenden, die die Perspektive verändern und wieder Weite in die verengte Diskussion bringen (z.B. Was bringt uns näher zu unserem Ziel oder unserer Intention? Woran merken wir, dass unsere Diskussion in die gewünschte Richtung geht?)

Vierte Dimension: Community of Practice – aus der Gemeinschaft her führen

Die vierte Dimension spielt vor allem dann eine Rolle, wenn ein Team oder eine Organisation sich bewusst auf den Weg hin zu kollektiver Führung machen möchte. Für Meetings kann das konkret bedeuten, dass es nicht mehr eine Person explizit in der Hosting Rolle braucht - oder sie entsteht, immer wieder auch wechselnd, aus dem Moment, aus der Notwendigkeit heraus. Die Gruppe hostet sich selbst aus dem Verständnis einer „Community of Practice“ – im Sinne von Ko-Kreation und geteilter Verantwortung. Dies braucht auf jeden Fall eine klare Intention und viel Praxis (mit dazugehörender Reflexion) auf dem Weg dorthin.
Ein anderes Verständnis der vierten Dimension ist es, sich gemeinschaftlich auf den Weg zu machen und damit eine Gemeinschaft der Lernenden zu werden, die die Haltung und Methoden des Art of Hostings regelmäßig weiter üben, ausprobieren und gemeinsam reflektieren.

Wie könnte das im organisationalen Kontext aussehen? Sie könnten sich vornehmen, z.B. eine der Grundhaltungen des Art of Hosting (Präsenz, zugewandtes Zuhören, Offenheit, Herzlichkeit und Ehrlichkeit) jeweils einmal am Tag in Gesprächen mit Kolleg:innen anzuwenden. Wenn Sie üben möchten, zugewandt zuzuhören, probieren Sie aus, so zuzuhören, dass Sie wirklich verstehen, um was es der sprechenden Person gerade geht und wie es der Person damit geht. Und bemerken Sie, wie es Ihnen dabei geht, wenn die Person spricht (pendeln), nehmen Sie Resonanzen oder Gefühle bei sich wahr?

Und bemerken Sie, wann Sie z.B. nur zuhören, um anschließend selbst etwas sagen zu können. Bemerken Sie Unterschiede, wenn Sie eine Woche lang zugewandt zuhören? Tauschen Sie sich über die Veränderungen aus – so kann eine „Community of Practice“ entstehen.
Oder Sie nutzen Ihre Jour-Fixe-Meetings für das Einüben einer Gesprächskultur im Sinne von Art of Hosting. Natürlich können Sie sich auch einer externen Übungsgruppe anschließen oder Fortbildungen besuchen, wie sie auf einschlägigen Websites von Art of Hosting angegeben werden.

Schlussbemerkungen

Die Leitfrage zu diesem Artikel war, wie durch den Einsatz der Methode Art of Hosting Meetings freudvoller, effektiver und partizipativer gestaltet werden können. Falls Sie, inspiriert durch diesen Artikel, in ihrer Organisation einen Schritt in Richtung Art of Hosting gehen wollen, gibt es ein paar Möglichkeiten zu starten:

  • Sie teilen diesen zweiteiligen Artikel mit Kolleg*innen und laden ein zu einer gemeinsamen Reflexion über die Meetingkultur in ihrer Organisation.
  • Sie starten einmal für sich im Sinne der ersten zwei Dimensionen Host yourself and Be hosted und beobachten, was das für einen Unterschied macht.

Auf jeden Fall ist es wichtig anzuerkennen, dass Art of Hosting – wie öfters erwähnt – Haltung und Methode ist und daher nicht ein schneller „Fix“ für etwas ist. Es kann seine Wirkung entfalten, wenn es über die Zeit öfters probiert, gelebt und bestenfalls in Gemeinschaft reflektiert wird.


Literatur

Baldwin, C., Linnea, A. (2010). The Circle Way: A Leader in Every Chair. Berrett-Koehler Publishers: Oakland

Kabat-Zinn, J. (2019). Gesund durch Meditation. Das große Buch der Selbstheilung mit MBSR, Droemer-Knauer: München

Pogatschnigg, I. (2021). The Art of Hosting. Wie gute Gespräche Führung und Zusammenarbeit verbessern. Vahlen: München

Scharmer, O. (2020). Theorie U - Von der Zukunft her führen. Carl-Auer Verlag: Heidelberg

The Art of Hosting Community. https://artofhosting.org (2022/01/11)

The Art of Hosting, The Art of Hosting - The Four-Fold Practice - YouTube (2022/03/30)

The Art of Hosting & Harvesting conversations that matter. Mein Begleitheft zum Gastgeben. (2019). www.einfachgutelehre.uni-kiel.de/wp-content/uploads/2016/04/Aoh-Hamburg-Handbuch-Final.pdf (2022/01/05)